Für wen ist dieser Beitrag?

Für Geschäftsführer, Vertriebsleiter und Account Manager, die in harten B2B-Verhandlungen unterwegs sind und ihre Marge, Glaubwürdigkeit und Verhandlungsmacht schützen wollen.


Einleitung: Nähe ist gut, bis sie teuer wird!

Wir alle mögen „gute Beziehungen“. Im Vertrieb ist Beziehungspflege essentiell. Aber: In Preisverhandlungen kostet Nähe oft Geld.
Das Duzen schafft gefühlte Vertrautheit. Genau darauf setzen viele professionelle Einkäufer. Denn Vertrautheit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass du mehr erzählst, weichere Anker akzeptierst und Zugeständnisse machst — teils ohne es zu bemerken.

Meine Grundhaltung bleibt: Win-Win statt Machtspielchen. Aber Win-Win braucht klare Rollen und Grenzen. Deshalb zeige ich dir 5 starke Gründe, warum Einkäufe dich bewusst auf Distanz halten — und wie du als Vertrieb diese Mechanik verstehst, respektierst und für dich nutzt, ohne die Beziehung zu beschädigen.


Grund 1: Informationsschutz – Distanz reduziert Leaks

Psychologie dahinter:
Mit Duzen steigt die Selbstoffenbarung. Sozialpsychologisch senkt Vertrautheit die innere Schranke, „Privates“ oder Taktisches zu teilen. In Verhandlungen führt das zu ungeplanten Informationslecks: Margenziele, interne Freigabeprozesse, Alternativen (BATNAs), Zeitdruck, Bonuslogiken.

Was der Einkauf will:
Mit höflicher Distanz (Sie, klare Agenda, Sachsprache) bleibt dein Redefluss kontrollierter. Weniger Smalltalk = weniger ungeplante Hinweise, an denen der Einkauf Hebel ansetzt (z. B. „Wenn ihr Quartalsende habt, kommen wir später nochmal…“).

Dein Move im Vertrieb:

  • Regel: „Freundlich im Ton, sparsam in Fakten.“

  • Tool: Mauertest – Prüfe, ob die Frage des Einkäufers bedarfsgerecht ist oder nur Köder (z. B. „Wie viel Nachlass ist drin?“ → Gegenfrage: „Wofür genau? Welche Anforderung schaffen wir damit zusätzlich?“).

  • Formulierung: „Gern transparent – allerdings nur zu Punkten, die für die Lösung relevant sind. Lassen Sie uns die Spezifikation abgrenzen.“

Mini-Checkliste (vor jedem Call):

  • Was will ich erfahren?

  • Was muss ich sagen?

  • Was kann ich andeuten?

  • Was sage ich nicht (interne Ziele, Deadlines, Freigaben)?

 

Wer Einkäufer duzt, hat bereits verloren. Was Verkäuferinnen und Verkäufer im Umgang mit Einkäufer und dem du beachten sollten.

Grund 2: Liking-Bias neutralisieren – Sympathie macht weich

Psychologie dahinter:
Wir machen Gefallen für Menschen, die wir mögen (Reziprozität + Liking-Bias). Duzen verstärkt das „Wir-Gefühl“. Ergebnis: Du gibst schneller nach, akzeptierst weichere Anker, kürzt Einwandprüfungen ab.

Was der Einkauf will:
Ein professionell freundlicher, aber distanziert-sachlicher Rahmen verhindert, dass du aus Gefälligkeit Zugeständnisse machst.

Dein Move im Vertrieb:

  • Distanz ≠ Kälte: Warm im Umgang, hart in der Sache.

  • Disziplin beim Entgegenkommen: Jede Zugabe koppeln an Gegenleistung (Give-Get-Prinzip).

  • Satzbaustein: „Wenn wir die Laufzeit auf 36 Monate erhöhen, kann ich den Stückpreis um X senken. Passt das zu Ihren Zielen?“


Grund 3: Rollen- und Statusklarheit – Kumpelmodus verwischt Verantwortlichkeiten

Psychologie dahinter:
Rollenunklarheit führt zu weichen Grenzen. Wer sich „kollegial“ fühlt, sagt seltener Nein. Distanz macht Rollen sichtbar: Der Einkauf optimiert Total Cost, du verantwortest Wert & Marge. Das erlaubt klare Entscheidungen ohne Gesichtsverlust.

Was der Einkauf will:
Ein Setting, in dem professionelle Forderungen keine persönliche Kränkung auslösen.

Dein Move im Vertrieb:

  • Rollenstatement zu Beginn: „Ich stehe für Wert/Marge ein, Sie für TCO. Lassen Sie uns die Überschneidung finden.“

  • Konsequenz zeigen: „Preiszugeständnisse gibt’s nur bei verändertem Umfang oder Risiko.“

  • Dokumentation: Änderung → Change-Log. Keine stillen Verschiebungen.


Website Tipp:

Wer bietet das DU an? Knigge antwortet …

 


Grund 4: Ankerdisziplin – Nähe senkt deine Ankerfestigkeit

Psychologie dahinter:
Anchoring wirkt mächtig. Duzen + Sympathie → du acceptierst eher den Einkaufsanker oder setzt deinen Startankerzu tief. Außerdem wirst du empfänglicher für „nur noch ein bisschen…“-Moves.

Was der Einkauf will:
Dein Startpreis soll weich werden. Oder du fängst „freundlich“ unter deinem Best-Case-Anker an.

Dein Move im Vertrieb:

  • Altmannsberger-Anker: Führe die Gegenseite so, dass sie einen für dich vorteilhaften Anker setzt (z. B. durch strukturierte Optionspakete mit klarer Wertprogression).

  • Startrampe: Erst Nutzen & Wirkung glasklar machen, dann Preis nennen – nie umgekehrt.

  • Formulierung: „Es gibt drei Optionen – Basic (X Wirkung), Pro (X+), Enterprise (X++). Welche Zielwirkung hat Priorität?“


Grund 5: „Nein“ sagen ohne Reue – Distanz senkt sozialen Druck

Psychologie dahinter:
Commitment/Consistency und soziale Erwiderung drücken auf uns, wenn wir Nähe spüren. Distanz erlaubt klare Grenzen: „Nein, ohne Gegenwert geht das nicht.“

Was der Einkauf will:
Ein Rahmen, in dem auch harte Forderungen als normale Jobroutine gelten – nicht als Freundschaftsdienst.

Dein Move im Vertrieb:

  • Nein-Matrix: Vorab definieren, wo du Nein sagst und welche Alternativen du anbietest (z. B. „Kein Preisnachlass, aber verlängerte Zahlungsziele gegen Bankbürgschaft“).

  • Satzbaustein: „Das kann ich nicht freigeben. Ich kann Ihnen A oder B anbieten – was hilft Ihrer Wirtschaftlichkeit mehr?“


Sonderfall: Wenn der Einkauf zum DUzen drängt

Du musst das Duzen nicht bekämpfen – du steuerst nur den Rahmen. Drei Optionen:

  1. Souverän beim Sie bleiben
    „Ich bleibe in Verhandlungen gern beim Sie – das hält uns beide klar in unseren Rollen. Inhaltlich bin ich maximal offen. Einverstanden?“

  2. Duzen zulassen, Rahmen schützen
    Wenn du es zulässt, sichere den Sach-Frame ab:
    „Alles klar, gern per Du. In der Sache halte ich mich strikt an unsere Spielregeln: Anker über Optionen, Zugeständnisse nur gegen Gegenwert, klare Change-Logs.“

  3. Kontextwechsel nutzen
    Du in Projektrunden, Sie in Preisverhandlungen:
    „Im Projekt gern per Du, in den Konditionsrunden bleibe ich beim Sie. So trennen wir Zusammenarbeit und Preis.“


Taktiken & Formulierungen – sofort einsetzbar

A) Leak-Stopper (bei neugierigen Fragen):

  • „Spannend. Bevor ich darauf eingehe: Welchen Einfluss hätte das konkret auf Ihre Entscheidung?“

  • „Das ist interner Prozess. Relevanter für Sie ist: was liefern wir zu welchem Risiko.“

B) Anker-Führung (Altmannsberger-Anker):

  • „Drei Wege zum Ziel … Welche Wirkung ist Pflicht, welche Kür?“

  • „Wenn Time-to-Value entscheidend ist, landen wir meist bei Pro. Sollen wir das gemeinsam rechnen?“

C) Give-Get (immer koppeln!):

  • „Preis runter geht, wenn wir… (Menge/Laufzeit/Vorkasse/Referenz/Scope klar).“

  • „Ich kann X geben, gegen Y. Was ist für Sie leichter leistbar?“

D) Mauertest (Bluff vs. Wahrheit):

  • Einkauf: „Da geht preislich nichts mehr.“

  • Du: „Verstanden. Wenn wir fachlich noch +10% Wirkung einbauen, würde sich dann etwas bewegen? (Wenn ja → es ging doch etwas. Wenn nein → echte Mauer, anderes Spielfeld wählen.)“


Umgang mit Nähe ohne Margeverlust

  1. Ritualisiere die Distanzpunkte: Agenda, Zeitboxen, Protokoll, Change-Log.

  2. Trenne Menschen & Sache: „Ich mag unsere Zusammenarbeit und bleibe in der Sache streng.“

  3. Begründe Distanz mit Professionalität: „So kommen wir schneller zu belastbaren Entscheidungen.“

  4. Trainiere Skripte: Team-weit dieselben Sätze; Spontaneität ist überschätzt, Routine gewinnt.


Typische Einwände – und starke Antworten

  • „Sie sind aber wenig flexibel.“
    „Ich bin sehr flexibel – innerhalb eines klaren Rahmens. Sonst verlieren wir beide.“

  • „Der Wettbewerb ist viel entgegenkommender.“
    „Das kann sein. Lassen Sie uns Wirkung & Risiko vergleichen. Wenn wir gleiches liefern, finden wir eine Lösung – gegen Gegenwert.“

  • „Wir duzen uns hier alle.“
    „Alles gut. Für Preisthemen bleibe ich beim Sie, das macht’s für beide Seiten einfacher, sauber zu entscheiden.“


Praxisbeispiele (kurz)

Beispiel 1 – Software-Lizenz:
Du lässt dich zu früh aufs Du ein, nennst einen „ungefähren“ Preis, Kunde verankert dich unten.
Besser: Erst Wirkung/ROI klären (Startrampe), dann Options-Anker setzen. Preisgespräch erst, wenn Nutzenverständnis sitzt.

Beispiel 2 – Maschinenbau:
Einkauf fragt nett nach internen Margenzielen.
Besser: „Nicht relevant. Entscheidend: OEE-Hebel X%, Amortisation 18 Monate. Dafür steht das Angebot.“

Beispiel 3 – Dienstleistungen:
„Nur dieses eine Mal: 10% Nachlass?“
Besser: „Geht gegen Case-Study + 24-Monats-Laufzeit. Sonst bleibt der Listenpreis.“


Playbook: 10 Regeln für deinen Vertrieb

  1. Duzen ist ein Tool, kein Ziel. Privat können Einkauf und Verkauf locker sein, jedoch im Business Freundschaft von Unternehmenszielen klar trennen!

  2. Sie in Konditionsrunden, Duzen optional in Projektrunden.

  3. Anker zuerst führen, nie Preise ins Leere.

  4. Jede Zugabe gegen Gegenwert. Bodenlose Fässer killen Ihre Marge und lassen das Erstangebot unseriös erscheinen.

  5. Leak-Disziplin: Keine internen Ziele/Deadlines/Schmerzgrenzen kommunizieren.

  6. Mauertest bei absoluten Aussagen.

  7. Dokumentiere Änderungen – sonst frisst dich Scope-Creep.

  8. Rollenstatement zu Beginn jedes Calls.

  9. Kurz, klar, freundlich.

  10. Echtes Win-Win bleibt das Ziel – aber nicht auf Kosten deiner Marge.


Fazit

Distanz schützt Wert. Einkäufer wissen das – deshalb wird Nähe dosiert. Als Vertrieb bist du nicht „anti-Duzen“, sondern pro Klarheit: freundlich im Umgang, strikt in der Sache.
Mit Mauertest, Altmannsberger-Anker, Startrampe und Give-Get hältst du die Balance: respektvolle Zusammenarbeit ohne Preis-Erosion.

Call-to-Action!
Willst du deine Preisgespräche systematisch härten, ohne Beziehungen zu riskieren? Lass uns dein Team mit praxisnahen Skripten, Live-Rollensszenarien und Video-Feedback schärfen →  für messbar bessere Margen.

© Urs Altmannsberger – Autor von Profitabler Einkauf / Profitabler Verkauf