Erfolgreich Verhandeln in der Schweiz: Strategische Empfehlungen für Führungskräfte
Ich liebe das neutrale Alpenland Schweiz wie kein anderes. Meine Eltern gaben mir dafür schon den richtigen Namen auf den Weg. Urs Altmannsberger. Wieviel landestypischer geht es noch? Doch zur Sache: Die Schweiz ist für deutsche Unternehmen nicht nur ein bedeutender Absatzmarkt, sondern auch ein potenzieller Partner in technologischen und wirtschaftlichen Kooperationen. Vor diesem Hintergrund ist das Verhandlungsgeschick von Geschäftsführern und Senior Executives von entscheidender Bedeutung, um nachhaltige Partnerschaften aufzubauen. Der Erfolg in Verhandlungen mit Schweizer Geschäftspartnern erfordert dabei ein sensibles Gespür für kulturelle Nuancen und die Fähigkeit, sich an den charakteristischen, präzisen und oft konsensorientierten Stil anzupassen.
1. Formale Höflichkeit und Zurückhaltung als Basis für erfolgreiche Verhandlungen in der Schweiz
In der Schweiz hat formale Höflichkeit nicht nur soziale Bedeutung, sondern ist integraler Bestandteil professioneller Interaktion. Führungskräfte, die eine konservative, respektvolle Haltung pflegen und auf übermäßige Emotionalität verzichten, schaffen Vertrauen und zeigen eine ernsthafte, professionelle Grundhaltung. Während in Deutschland das „Du“ häufiger im geschäftlichen Umfeld verwendet wird, ist in der Schweiz das „Sie“ der bevorzugte Standard – und dies oft über lange Zeit hinweg. Zu schnelles Vertrautwerden kann als respektlos oder voreilig interpretiert werden, daher ist es für deutsche Führungskräfte ratsam, eine gewisse Distanz zu wahren.
2. Geduld und Konsensorientierung: Der Weg zum nachhaltigen Erfolg mit schweizer Verhandlern
Schweizer Geschäftsprozesse sind geprägt von Konsens und einem sorgfältigen Entscheidungsfindungsprozess, der oftmals mehr Zeit beansprucht als in Deutschland üblich. Deutsche Führungskräfte, die auf Effizienz und Zielorientierung Wert legen, können hiervon herausgefordert werden. Ein strategischer Ansatz ist es, Geduld zu zeigen und den Dialog als Mittel zur Einbindung aller relevanten Stakeholder zu nutzen. Diese Verhandlungshaltung signalisiert Respekt vor dem Prozess und trägt dazu bei, eine nachhaltige Basis für die Partnerschaft zu schaffen.
3. Präzision und Zurückhaltung als Kommunikationsstrategie
Die Schweizer Geschäftskultur legt großen Wert auf präzise, sachorientierte und unaufgeregte Kommunikation. Führungskräfte sollten daher übertriebene Eigenvermarktung und Superlative vermeiden, da dies schnell als aufdringlich und unglaubwürdig empfunden wird. In der Schweiz steht der Inhalt im Vordergrund: Eine gut recherchierte und faktenbasierte Präsentation wird deutlich besser aufgenommen und schafft Vertrauen. Es ist ratsam, den Dialog strukturiert und transparent zu gestalten, da Schweizer Geschäftspartner eine nüchterne, professionell wirkende Kommunikation schätzen.
Doch damit nicht genug. Es gibt noch weitere, häufig unberücksichtigte Besonderheiten der Schweiz, die Sie auf dem Radar der Verhandlungsplanung erkennen müssen:
4. Berücksichtigung regionaler Unterschiede und sprachlicher Vielfalt bei Verhandlungen
Die föderale Struktur der Schweiz bringt sprachliche und kulturelle Unterschiede mit sich, die Verhandlungen maßgeblich beeinflussen können. In der Deutschschweiz besteht eine Nähe zu deutschen Geschäftsgepflogenheiten, dennoch sind die Schweizer Eigenheiten zu respektieren. In der französischsprachigen Romandie sind Einflüsse der französischen Kultur spürbar, was eine warmherzigere und subtilere Kommunikationsweise erfordert. Im Tessin wiederum erwartet die Geschäftskultur eine mediterran beeinflusste Offenheit gepaart mit Schweizer Präzision. Erfolgreiche Führungskräfte agieren daher flexibel und passen ihren Stil an die regionalen Gepflogenheiten an, um Vertrauen und Verbindlichkeit zu etablieren.
5. Dezentrale Strukturen und die Notwendigkeit lokaler Einbindung
In der Schweiz sind Unternehmensstrukturen oft dezentral organisiert, und Entscheidungsprozesse erfolgen auf lokaler Ebene. Viele Unternehmen sind mittelständisch und familiengeführt, weshalb Geschäftsführern bewusst sein sollte, dass es für langfristige Partnerschaften notwendig sein kann, auf verschiedenen Ebenen Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Dies erhöht die Komplexität der Verhandlungen, erfordert jedoch eine strategische Flexibilität und ein Verständnis für lokale Entscheidungsstrukturen. Investitionen in den Beziehungsaufbau und die Pflege regionaler Netzwerke zahlen sich langfristig durch stabile Partnerschaften aus.
6. Wertschätzung der Neutralität und politisch sensiblen Themen
Die Schweiz ist stolz auf ihre politische Neutralität und Unabhängigkeit. Deutsche Verhandler sollten sich der kulturellen Bedeutung dieser Werte bewusst sein und sensibel mit gesellschaftlichen oder politischen Themen umgehen. Ein diplomatischer, neutraler Verhandlungsansatz und der Fokus auf gemeinsame Ziele wird als respektvoll und angemessen wahrgenommen. Aggressive oder konfrontative Taktiken sind selten erfolgreich; stattdessen wird eine partnerschaftliche Grundhaltung, die auf Augenhöhe agiert, bevorzugt.
Zusammenfassung: Erfolg durch kulturelle Kompetenz, schweiztypischer Neutralität und Unaufgeregtheit
Erfolgreiche Verhandlungen in der Schweiz setzen ein hohes Maß an kulturellem Verständnis und Anpassungsfähigkeit voraus. Deutsche Führungskräfte, die den konsensorientierten, präzisen und zurückhaltenden Stil der Schweizer Geschäftskultur wertschätzen und reflektieren, schaffen die Basis für belastbare und langfristige Beziehungen. Die Schweizer Geschäftswelt honoriert Zuverlässigkeit und eine langfristige Perspektive. Wer diese Werte verinnerlicht und gezielt einsetzt, stärkt nicht nur seine Verhandlungsposition, sondern sichert sich auch eine vertrauensvolle und dauerhafte Partnerschaft.
Deine/Ihre Erfahrungen? Welche besonderen Herausforderungen und Erfolgsfaktoren haben Sie in der Zusammenarbeit mit Schweizer Partnern erlebt? Teilen Sie gerne Ihre Erkenntnisse und Eindrücke.
Weitere top Tipps findest Du in diesem Buch:
https://www.altmannsberger-verhandlungstraining.de/profitabler-einkauf-buch/
Weitere Berichte und Websites zum Thema Schweiz und Verhandlungstypen (nicht von Urs geprüft):
https://www.dgvf-online.de/fileadmin/user_upload/Studie_Wie_verhandeln_Schweizer_Fuehrungskraefte_2023.pdf
https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/energie/schweiz-eu-strom-verkehr.html
Zu Ihrer Unterhaltung noch eine amüsanter Bericht über eine Verhandlung in der Schweiz, die so nicht stattgefunden hat, aber ein paar spannende Impulse für Sie bereithält:
Im Frühjahr 2023 bereitete sich Herr Gruber, Geschäftsführer der deutschen Maschinenbaufirma Technoma GmbH, auf eine der herausforderndsten Verhandlungen seines Lebens vor. Er stand kurz davor, mit der Helvetic Precision AG ins Geschäft zu kommen, einem alteingesessenen Schweizer Familienunternehmen, das für seine Präzisionsfertigung und geduldigen Verhandlungsstil bekannt war. Gruber hatte sich vorgenommen, das Ganze wie einen Sprint zu erledigen – nicht ahnend, dass ihn stattdessen ein Ultramarathon durch den Alpen-Schnee erwarten würde.
Erster Kontakt: Langsames Auftauen in Luzern
Das erste Treffen war in einem schicken Restaurant am Vierwaldstättersee angesetzt, und Gruber kam hochmotiviert und gut vorbereitet – schließlich hatte er in seinem Leben schon zahlreiche Deals abgeschlossen. Er dachte, das würde eine „Wir setzen uns kurz hin, ich präsentiere euch, warum unsere Maschinen die besten sind, und wir unterschreiben das Ding“-Nummer. Doch sobald er Frau Müller, die Geschäftsführerin der Helvetic Precision, sah, wusste er: Hier würden weder Hektik noch Schnellschüsse zum Erfolg führen.
Nach einer höflichen Begrüßung lehnte sich Frau Müller zurück, legte die Hände vor sich auf den Tisch und sagte mit einem leichten Lächeln: „Herr Gruber, erzählen Sie doch mal, was Sie in die Schweiz führt.“ Er startete enthusiastisch und legte direkt die Verkaufsargumente seiner Maschinen auf den Tisch – Effizienz, Schnelligkeit, Bestwert im europäischen Vergleich. Doch anstatt darauf einzugehen, fragte Frau Müller, ganz charmant, ob er schon mal im Frühling in Luzern gewesen sei und ob er den „frischen Duft der Schweizer Alpenluft“ genieße.
Gruber zögerte kurz. Frischer Duft? Alpenluft? Sein Gehirn hatte gerade auf „Verhandlungsmodus“ umgestellt und konnte nur schwer auf Small Talk umschalten. Doch er passte sich an, erzählte von seiner kurzen Wanderung am Vortag und merkte, wie das Gespräch eine langsame, ruhige Dynamik annahm. Er war sich sicher, dass dieses erste Treffen gut verlaufen war, auch wenn ihm kein einziger Vertragsinhalt untergekommen war – und fand sich fast schockiert wieder, dass er die Schweiz wirklich etwas genießen konnte.
Zweites Treffen: Hochpräzises Fragenfeuer
Beim zweiten Treffen, in der Zentrale der Helvetic Precision AG, war Gruber fest entschlossen, endlich die technischen Details zu besprechen. Er präsentierte die Maschinen von Technoma mit Begeisterung und ließ Bilder von imposanten Metallbauteilen und schnellen Produktionsprozessen durch die Konferenzräume flimmern. Währenddessen saßen ihm Frau Müller und ihr technischer Leiter, Herr Bieri, gegenüber, beide mit einem Gespür für Details, das an eine Schweizer Uhr erinnerte.
Doch kaum war Gruber fertig, stieß Herr Bieri, seines Zeichens Schweizer Technikspezialist und Hobbyphilosoph, einen Satz aus, den Gruber so schnell nicht vergessen würde: „Interessant, sehr interessant… aber sind die Maschinen auch nach fünf Jahren noch präzise? Und könnten Sie uns die Toleranzen unter Lastbedingungen für mindestens 10.000 Betriebsstunden zusichern?“ Gruber, der aus Deutschland gewohnt war, auf Fragen wie „Was ist der Preis und wann liefern Sie?“ zu antworten, war sprachlos. Was zum… Zehntausend Stunden?
So begann eine Art Verhandlung, die Gruber eher wie ein „Kreuzverhör des Jahres“ vorkam. Herr Bieri hinterfragte alles – die Materialwahl, die Elektronik, sogar die Schrägstellung der Bedienelemente. Und je länger das Gespräch ging, desto mehr merkte Gruber, dass hier wirklich nichts durchgehen würde, das nicht von Schweizer Präzisionsdenken und Skepsis abgesegnet war. Schließlich setzte er ein Lächeln auf und fragte charmant: „Wenn wir Ihnen die Belastungstests garantieren, Herr Bieri – könnte ich dann eventuell noch ein bisschen Luft im Vertrag haben, falls ein deutscher Sturmwind durchzieht?“ Das brachte dem Gespräch ein paar Lacher ein – und gab Gruber ein wenig Hoffnung, dass er nicht völlig verloren war.
Drittes Treffen: Kaffee und die Geschichte vom Schneesturm
Nach Wochen intensiver Detailarbeit und unzähligen Excel-Tabellen, die zu Fuß nach Luzern gereist zu sein schienen, stand das finale Gespräch bevor. Gruber hatte inzwischen verstanden, dass Geduld und Präzision hier oberste Priorität hatten, und so war seine Präsentation bis ins letzte Detail vorbereitet. Er war jedoch überrascht, als Frau Müller ihn bat, vor der Unterschrift einen Kaffee in ihrem Büro zu trinken. Sie schien ihm etwas mitteilen zu wollen.
Während sie beiden an ihren Espressi nippten, erzählte Frau Müller ihm eine Geschichte: „Wissen Sie, Herr Gruber, mein Großvater hat unser Unternehmen nach dem Krieg gegründet. Er sagte immer, wir Schweizer haben eine besondere Art der Geduld. Ein Geschäftspartner ist jemand, der auch dann bleibt, wenn ein Schneesturm durch die Alpen zieht.“ Gruber hörte zu und nickte ernst – aber innerlich musste er schmunzeln. Schneesturm? dachte er. In Deutschland fliegt der Vertragsabschluss, wenn die Kaffeetasse leer ist.
Doch er war so weit gekommen und spürte, dass Frau Müller ihm diese Geschichte nicht ohne Grund erzählte. Also nickte er und antwortete: „Frau Müller, ich bin sicher, ich kann nicht nur durch den Schneesturm stapfen, sondern auch für Schneeräumdienst und Glühweinpause sorgen.“ Das brachte sie zum Lachen – und Gruber wusste, dass dies sein Durchbruchsmoment war. Die Verhandlung schien endlich auf Augenhöhe zu sein, und seine lockere Art hatte ihm mehr geholfen als jedes technische Detail.
Die Vertragsunterzeichnung: Ein schweizer Alpen-Klassiker
Endlich war der Vertrag unter Dach und Fach, und Gruber, dem die Luft immer kühler vorgekommen war, wusste, dass er sich der schweizerischen Geschäftskultur wirklich angenähert hatte. Er war sich sicher, dass er für diese Erfahrung mit seinem Humor und seiner Flexibilität eine Lektion fürs Leben gewonnen hatte. Nach der Unterschrift, die feierlich und mit Ernst stattfand, tranken sie gemeinsam noch ein Glas Weißwein, und Gruber verabschiedete sich mit einem weiteren Schmunzler: „Eines ist sicher, Frau Müller – falls dieser Vertrag je unter einem Schneesturm begraben wird, weiß ich jetzt, wo ich mit der Schneeschaufel anfangen muss.“
Im Zug nach Hause dachte Gruber über das Erlebnis nach und fasste seine neue Regel für Verhandlungen in der Schweiz zusammen: „Wenn du denkst, du bist fertig, dann bist du wahrscheinlich gerade erst aufgewärmt. Und wenn du durch den Schneesturm kommst, gibt’s vielleicht auch noch heißen Glühwein.“
Von da an nannte er diesen Ansatz augenzwinkernd seine „Schneesturm-Regel“ für Verhandlungen in der Schweiz – und erzählte bei jeder Gelegenheit davon, wie ihm die Schweizer Geschäftskultur zwar seine Geduld, aber nicht seinen Humor abverlangt hatte.